Das Jahr 2023 war das sechste Jahr, seitdem wir uns entschlossen haben, unsere Sammeltätigkeit publik zu machen und auf unserer Website umfangreiche Datensammlungen zu den von uns gesammelten Künstlern und Bildern bereit zu stellen. Da wir mit dieser Sammlung und ihrer Präsentation noch nie kommerzielle Ziele verfolgt haben, sondern uns seit Anbeginn der Sammeltätigkeit nicht nur dem Sammeln, sondern auch der Erforschung der gesammelten Objekte verpflichtet fühlen, sehen wir uns nach fünf Jahren des kontinuierlichen Wachstums dazu verpflichtet, den eingeschlagenen Weg konsequent fortzuschreiten und künftig auch jährlich die wichtigsten Neuzugänge und Forschungsergebnisse unseres Hauses summarisch zu beleuchten und zu kommentieren.
Zu Beginn des Jahres gelang es uns, mit einem Bild aus der Serie „Phantastische Reise 1“ der Heilbronner Künstlerin Else Schwarz-Binder (1914-2000) neben deren bereits seit längerer Zeit in unserem Besitz befindlichen größeren Werken nun auch ein mit 47 x 33 cm eher kleinformatiges Werk in einem von der Künstlerin gefertigten Künstlerrahmen zu erwerben und damit das in unserem Besitz befindliche Spektrum aus ihrem Gesamtwerk auch um eine Arbeit auf Papier und hinter Glas auszuweiten. Unter den Heilbronner Künstlern gilt Else Schwarz-Binder als die Hauptvertreterin der Fantastischen Kunst. Sie schuf u.a. auch zahlreiche Bilder im Rahmen der „Kunst am Bau“.
Ebenfalls zu Beginn des Jahres konnten wir auch unseren Bestand an Bildern des aus Neckarelz stammenden und zuletzt in Bammental bei Heidelberg lebenden Malers Albert Fisel (1899-1969) um eine weitere Version seiner mehrfach gemalten Ansicht der Burg Hornberg erweitern. Der Erforschung der Malerfamilie Fisel, zu der neben Albert Fisel auch dessen ältester Sohn Herbert Fisel (geb. 1923) sowie ein in Heilbronn wirkender Konrad Fisel (geb. 1910) gehören, die allesamt ähnliche Motive malten und ähnlich signierten, widmen wir uns bereits seit einigen Jahren. Auch 2023 konnten wir wieder neue Details zur Biografie der Maler sowie Abbildungen weiterer Werke aus dem Kunsthandel in unsere Materialsammlungen aufnehmen. Schließlich gelang es uns im weiteren Verlauf des Jahres, noch zwei Bilder von Herbert Fisel und erstmals auch ein Gemälde von Konrad Fisel zu erwerben.
Der Erwerb eines älteren Porträts eines bärtigen Mannes im Frühjahr 2023 gab den Anlass zur Wiederentdeckung des vergessenen Berner Malers Friedrich Pfisterer (1887-1956). Der Maler stammte aus Stuttgart, ging 1909 in die Schweiz und gründete 1918 einen grafischen Betrieb in Bern. Unser Porträt zeigt wahrscheinlich seinen Vater Wilhelm Pfisterer (1855-1935) aus Stuttgart. Aus Schweizer Pressearchiven konnten wir nahezu den gesamten Lebensweg des Malers und die Entwicklung seines Betriebs in Bern nachzeichnen. Mit diesen Forschungsergebnissen haben wir uns erstmals an der Umsetzung einer Malerbiografie als Filmbeitrag auf Youtube versucht. Wir finden, dass das Ergebnis sehenswert ist, sind uns angesichts des hohen Arbeitsaufwandes aber nicht sicher, ob wir künftig noch weitere Medienangebote dieses Typs erstellen können.
Ebenfalls noch im Frühjahr 2023 konnten wir ausgehend von zwei frisch erworbenen kleinen Bildern, darunter ein Aquarell des Fischertors in Bad Wimpfen, das mit dem Monogramm RM bezeichnet war, den Heilbronner Zeichner Richard Mählert (1890-1926) identifizieren. Sein Leben und Werk lagen zunächst im Dunkeln, aber Dank der unabhängig von uns erfolgten Recherche seiner Nachfahren, die sich mit uns in Verbindung setzten, lassen sich inzwischen die Lebensstationen und eine Reihe von Werken des Künstlers nachweisen. Im Zuge unserer Recherchen erwarben wir noch eine größere Darstellung einer (unidentifizierten) Burg von der Hand des Künstlers und traten eines unserer kleinformatigen Bilder Mählerts an die Nachfahren ab.
Mit zwei Bildern des schwäbischen Landschaftsmalers Ferdinand Dörr (1880-1968) konnten wir nach zwei schon länger in unserem Besitz befindlichen Radierungen des in Rappenau aufgewachsenen Künstlers nun auch zwei kleinformatige Landschaftsszenen in unseren Sammlungsbestand einreihen. Die Bilder zeigen die Burg Hornberg bei Neckarzimmern und einen Blick über eine Schwarzwaldlandschaft. Dörr lebte und arbeitete die meiste Zeit seines Lebens in Karlsruhe, pflegte aber freundschaftliche Beziehungen mit den Familien von Racknitz und von Gemmingen, denen einstige Rittergüter im Neckartal unweit seines Jugend-Wohnortes Rappenau gehörten und wo er später immer wieder oft zu Gast war. Der Künstler schuf hauptsächlich Radierungen (wie die beiden länger in unserem Besitz befindlichen Stücke mit Ansichten aus dem Neckartal) und wechselte im Alter verstärkt zur taktil weniger anstrengenden Ölmalerei, für die wir nun ebenfalls über zwei Beispiele verfügen.
Die hier nun schon mehrfach erwähnte und abgebildete Burg Hornberg, malerisch im Neckartal oberhalb von Neckarzimmern gelegen, hat schon vielen Malern als romantisches Motiv gedient. Nach einer bereits schon länger in unserem Besitz befindlichen kleinen Ansicht jener Burg von der Hand eines Malers G. Simon, konnten wir im vergangenen Jahr 2023 noch eine großformatige Ansicht der Burg mit derselben Signatur G. Simon erwerben. Das 1 x 2 m große Bild soll sich nach Auskunft der Vorbesitzer einst als Wandschmuck in einer Gundelsheimer Gaststätte befunden haben und von einem örtlichen Maler hergestellt worden sein. Dadurch ließ sich ein weiterer in Vergessenheit geratener regionaler Maler lokalisieren: der Kunstmaler Georg Simon (geb. 1896) aus Gundelsheim. Unsere biografischen Recherchen zu ihm dauern noch an. Aus Privatbesitz wurden uns verschiedentlich schon weitere erhaltene Bilder des Künstlers gemeldet.
Schließlich spielt die im Besitz der Freiherren von Gemmingen befindliche Burg Hornberg als Motiv auch eine bedeutende Rolle im Werk des Haßmersheimer Malers Pius Lipp (1883-1952). Lipp wuchs in dem gegenüber der Burg auf der anderen Neckarseite im Tal gelegenen Schifferdorf Haßmersheim auf. Er studierte Kunst und arbeitete, nachdem er als Freiwilliger im Ersten Weltkrieg beide Beine verlor, als kriegsversehrter Lehrer eine Zeit in der Ortenau, bevor er in den 1920er Jahren als Kunstmaler in sein Heimatdorf am Neckar zurückkehrte, wo er sich immer wieder den Motiven aus der näheren Umgebung widmete. Vielleicht ist Pius Lipp sogar derjenige, der die Burg Hornberg am häufigsten von allen Malern gemalt hat. Bedingt durch seine schwere Behindeung verließ er Haßmersheim nur noch selten. Reisen führten ihn hauptsächlich in den Schwarzwald, woher seine Frau stammte. Auch dort malte er. Wir besitzen seit längerer Zeit eine seiner Schwarzwaldszenen, haben diese aber zu spät als Bild eines Malers aus dem Neckartal erkannt, so dass wir sie nicht mehr zu der großen Lipp-Gedächtnisausstellung in Haßmersheim 2018 einreichen konnten. Die zur Ausstellung zusammengestellte Datensammlung des Haßmersheimer Heimatforschers Fritz Müßig blieb außerdem bis dato ein unstrukturiertes, über 250 zusammenkopierte Seiten umfassendes Desiderat, so dass wir uns im April 2023 entschlossen haben, ausgehend von Müßigs Datensammlung das Leben und Werk von Pius Lipp übersichtlich auf unseren Seiten aufzubereiten, um damit nicht nur den biografischen Hintergrund für das Bild in unserer Sammlung zu liefern und dessen Einordnung in Lipps Gesamtwerk zu ermöglichen, sondern auch generell leicht auffindbare Abbildungen und Informationen zu diesem bedeutenden Heimatmaler zur Verfügung zu stellen.
Bereits im Jahr 2021 erwarben wir gemeinsam mit anderen Bildern eine norddeutsche Küstenlandschaft mit der Signatur „A.Möckel“. Das Bild haben wir wegen der gefälligen Szenerie behalten und vorerst nicht weiter zum Maler geforscht, da wir ihn auch in Norddeutschland verorteten und keinen Heimatbezug zu Südwestdeutschland sahen. Nachdem wir 2023 eine weitere Uferlandschaft mit der Signatur „A. Möckel K.“ erwarben und sich speziell im süddeutschen Kunsthandel weitere Bilder des Malers nachweisen ließen, konnten wir in diesem den Karlsruher Kunstmaler Alfred Möckel (1897-1947) identifizieren. Unsere Forschungen zur Biografie des Malers ergaben einige interessante Details, u.a. dass er zunächst als Mechaniker arbeitete, bevor er sich erst ab ungefähr 1925 vollends der Kunst verschrieb. Außerdem brachten die Recherchen eine bizarre Familientradition ans Licht, da sowohl Alfred Möckel im Ersten Weltkrieg als auch seine älteste Tochter Frieda im Zweiten Weltkrieg bei der Unterschlagung von Postsendungen ertappt wurden und deswegen aktenkundig wurden.
Neue biografische Erkenntisse liegen außerdem zu Max Walther (1856-1956) vor, von dem wir seit längerem eine Ansicht des Neckartals bei Dilsberg besitzen, über dessen Identität und Lebensdaten es bislang jedoch immer wieder begründete Zweifel gegeben hatte. Mit einer uns nun dankenswerterweise aus Privatbesitz überlassenen Sammlung von Dokumenten, darunter eine Kopie seines Testaments sowie Zeitungsausschnitte mit biografischen Notizen, lässt sich der Maler nun zweifelsfrei als der langjährige Dekorationsmaler der Frankfurter Bühnen identifizieren. Er begann seine Laufbahn als Malergehilfe 1874 am Hoftheater in Dresden und kam nach einer weiteren Station in München schließlich 1880 nach Frankfurt am Main, wo er bis 1926 Bühnenbilder malte. Der Maler war auch im Alter so agil, dass man ihn im Alter von 70 Jahren zur lange überfälligen Pensionierung drängen musste. Im Ruhestand scheint er noch längere Zeit privat gemalt zu haben. Seine spätesten bekannten datierten Bilder von 1942 malte er im Alter von 86 Jahren. Er starb drei Wochen vor seinem 100. Geburtstag. Die nun mittels vieler Zeitungsberichte u.ä. belegte außerordentliche Vitalität des Künstlers und die ihm nun zweifelsfrei zuzuordnenden Motive aus den Alpen und aus dem Schwarzwald lassen es möglich erscheinen, dass er auch für viele Bilder in Anspruch genommen werden kann, die man ansonsten trotz stilistischer Unterschiede dem gleichnamigen und im gleichen Jahr geborenen Münchner Maler Max Walther (1856-1910) zuschrieb.
Der Heilbronner Maler Oskar Busch (1897-1977) stammte aus einfachen Verhältnissen und kam erst in fortgeschrittenem Alter zur professionellen Malerei. Wir haben bereits in den Jahren 2020 bis 2022 mehrere seiner Bilder erworben und konnten 2023 nochmals drei Bilder (Kopien nach bekannten Kellermeister-Motiven) erwerben. Während seine Bilder nur von geringem künstlerischen Wert sind, steht speziell der Werdegang des Malers im Zentrum unseres Interesses. Mit freundlicher Unterstützung des Heilbronner Stadtarchivs, dem wir in mehrfacher Weise verbunden sind und dem unser herzlicher Dank für die jahrelange gute Zusammenarbeit gilt, konnten wir im Jahr 2023 den Lebensweg des Malers Oskar Busch detailreicher als zuvor nachzeichnen. Aus den erhaltenen Steuer- und Meldepapieren lässt sich über seine Motivation als Kunstmaler spekulieren: Nach Tätigkeiten als Handelsreisender und in der Gastronomie und nach Jahren einfachster Wohnverhältnisse war seine Hinwendung zur Malerei vielleicht nur der verzweifelte Versuch, ohne einen anständigen Lehrberuf sein Einkommen zu verbessern und als Selbstständiger über die Runden zu kommen.
Neben Oskar Busch forschen wir auch zu Max Kosmas Zahner (1897-1977) und Kurt Krieger (1901-1973), die zur selben Zeit als Kunstmaler in Heilbronn tätig waren, ebenfalls ohne dort dem Künstlerbund anzugehören oder einen irgendwie gearteten avantgardistischen Dünkel zu haben. Auch zu diesen beiden Malern, zu denen wir seit mehreren Jahren Daten und Werke sammeln, konnten wir im Jahr 2023 jeweils ein neues Werk erwerben und nochmals Details zu ihrer Biografie sammeln. Wir denken darüber nach, den praktisch gleichaltrigen Männer, die zur selben Zeit am selben Ort ähnliche Motive zum Broterwerb malten, vielleicht zukünftig eine gemeinsame kleine Katalogveröffentlichung zu widmen.
Unser umfangreichster Erwerb des vergangenen Jahres 2023 war der etwa 50 Bilder umfassende künstlerische Nachlass des Sinsheimer Hobbymalers Boris Siemienkiewitsch (1922-2013). Wir besaßen seit Juni 2022 bereits acht aus dem Nachlass ausgewählte Bilder des Malers und konnten nun auch den gesamten Rest erwerben. Die Bilder decken eine Zeitspanne von etwa 1945 bis 1990 ab, sie enthalten biografische Bezüge mit Motiven aus den Lebensstationen und Porträts von Verwandten des Malers, aber auch Reiseimpressionen, Tiermotive und Kopien von Altmeisterbildern sowie religiöse Motive. Der Maler, der meist mit „B. Siemien“ signierte, schuf somit ein facettenreiches Werk, das wegen der zahlreichen Motive aus Sinsheim exemplarischen und dokumentarischen Charakter für die Bilderwelt von bodenständigen regionalen Hobbymalern der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts hat. Die Katalogisierung des Nachlasses hat im Herbst 2023 mehrere Wochen in Anspruch genommen.
Ein weiterer bedeutender Zugang des Jahres 2023 kam als Schenkung von einem Speyrer Kunstfreund in unsere Sammlung und umfasst insgesamt sechs Bilder des „Elsenzmalers“ Ernst Marfels (1886-1956) aus Neckargemünd. Wir besaßen seit 2018 bereits ein Werk des Malers und haben auch unlängst erst umfangreich zu dessen Biografie geforscht. Der Maler stand lange im Schatten seines Vaters Carl Marfels (1854-1929), der ein schillernder Spekulant und Uhrenhändler in Berlin und Frankfurt am Main war und Kontakte zu verschiedenen Künstlern pflegte. Der Vater verschaffte dem Sohn die erste künstlerische Ausbildung in Berlin. Ab 1920 lebten der Vater und der längst erwachsene Sohn gemeinsam in Neckargemünd. Ernst Marfels scheint sich dort anfangs halbherzig als Porträtmaler oder mit Aufträgen für den Vater verdingt zu haben. Erst nachdem der Vater in den 1920er Jahren nochmals eine jüngere Frau heiratete und mit dieser in den Taunus zog, wird Ernst Marfels vollends als Künstlerpersönlichkeit greifbar. Bis in die 1950er Jahre hinein schuf er nun vor allem Landschaftsbilder, von denen viele im Tal der Elsenz, im Neckartal oder auf dem Heidelberger Hausberg Königstuhl entstanden sind. Manche der Bilder von Ernst Marfels zeigen aber auch Heide- und Flusslandschaften, über deren Entstehung wir uns noch im Unklaren sind. Mit der 2023 erhaltenen Schenkung, die sowohl zwei Bilder mit typischem Königstuhl-Kolorit als auch Bilder mit niederdeutschen Landschaften enthielt und für die wir auch auf diesem Wege nochmals herzlichst danken, können wir nun auch innerhalb unserer Sammlung die Breite der landschaftlichen Motive des Neckargemünder Malers besser abbilden.
Ende Oktober 2023 ereilte uns dann noch die traurige Nachricht, dass der Musiker und Künstler Jürgen Scharsich (1960-2023) tot in seiner Wohnung in Bad Oeynhausen aufgefunden wurde. Scharsich war von den 1980er Jahren bis ungefähr um 2005 für rund 20 Jahre eine der prägenden Figuren subkultureller Kunst und Kultur in Heilbronn und im Kraichgau gewesen. Neben einem vielseitigen Engagement als Musiker schon jeher künstlerisch tätig, beteiligte er sich vor allem in der ersten Hälfte der 1990er Jahre dann auch mit Objekten und Bildern an Ausstellungen, so dass ein Großteil seiner nennenswerten Gemälde und Objekte auch in jener Zeit entstand, bevor er ab der zweiten Hälfte der 1990er Jahren wieder hauptsächlich als Musiker aktiv war. Nach Verbüßen einer Haftstrafe und dem Umzug nach Niedersachsen 2009 trat Scharsich jedoch nicht mehr in Süddeutschland in Erscheinung. Als langjährige Freunde von Jürgen Scharsich besaßen wir schon seit vielen Jahren einige seiner Werke und haben ihn bereits zu seinen Lebzeiten als beachtenswerte Künstlerpersönlichkeit auf unseren Seiten vorgestellt. In einem nun verfassten Nachruf skizzieren wir mit Erinnerungen an die gemeinsame Zeit den Einfluss, den er nicht nur auf uns ausgeübt hat.
Rückblickend war das Jahr 2023 ein höchst interessantes Jahr bei der Vertiefung unserer Sammlung und den anhängigen Forschungen. Wir hoffen auf ein genau so spannendes kommendes Jahr und wünschen allen regelmäßigen Besuchern unserer Website und Freunden unserer Sammlung ein gesundes und glückliches 2024!