Der Maler Ernst Marfels (1886-1958) war der Sohn des bekannten Berliner Uhrenhändlers Carl Marfels (1854-1929). Er wuchs in Berlin auf und erhielt dort seine künstlerische Ausbildung bei dem Landschaftsmaler Julius von Klever (1850-1924), der mit dem Vater befreundet war. Weitere Studien der Landschaftsmalerei und eine Ausbildung zum Porträtmaler schlossen sich an. 1920 kamen der Maler und sein Vater nach Neckargemünd. Der Vater heiratete auf seine alten Tage nochmals und verzog in den Taunus, der Sohn blieb in Neckargemünd und widmete sich dort hauptsächlich der Landschaftsmalerei. Seine häufigen Motive aus dem Tal der Elsenz, die bei Neckargemünd in den Neckar mündet, brachten ihm einen Ruf als „Elsenzmaler“ ein.
Marfels’ meisterhafter Umgang mit Farbe und Licht lässt seine Motive aus dem Neckartal und von den Höhenzügen des Heidelberger Königstuhls auch trotz einer vergleichsweise groben Pinselführung erstaunlich lebendig und naturnah wirken. Sein Werk kann dem Realismus zugeordet werden und trägt gewisse impressionistische Züge. Er war mit dem Heidelberger Maler Adolf Hacker (1873-1943) befreundet, der ebenfalls realistische Ansichten aus dem Neckartal, aber auch aus dem innerstädtischen Bereich von Heidelberg fertigte. Beide Maler gehörten vor dem Zweiten Weltkrieg dem Heidelberger Künstlerkreis „Form und Farbe“ an und hielten sich von Debatten über Kunstströmungen fern.
2008 fand die Sonderausstellung „Ernst Marfels (1886-1958) – ein Landschaftsmaler der Poesie und Stille“ im Museum im Alten Rathaus in Neckargemünd statt, das Werke von Marfels auch in seiner Dauerausstellung zeigt.
Wir besaßen bereits seit 2018 ein Werk von Ernst Marfels (Neckartal bei Neckargemünd, dat. 1939, Inv. Nr. 2018.035) und haben im Sommer 2023 zu Leben und Werk des Malers geforscht. Uns fiel auf, dass der Maler bis ins Alter von etwa 35-40 Jahren sehr eng mit dem Vater verbunden war und erst nach dessen später zweiter Hochzeit und Wegzug aus Neckargemünd überhaupt als Malerpersönlichkeit greifbar wird. Vielleicht war Ernst Marfels als junger Mann und auch noch im Erwachsenenalter lange Zeit durch den geschäftstüchtigen Vater finanziell abgesichert. Es mag sich eventuell erst nach der Loslösung vom Vater oder nach dessen Tod 1929 eine Notwendigkeit zum Lebensunterhalt durch die Malerei ergeben haben.
Für uns bisher noch rätselhaft sind die Motive mit niederdeutschen oder pommerschen Landschaften, die wiederholt im Werk des Malers vorkommen. Wir haben bislang noch keinen Hinweis darauf, wann und wo Marfels die Inspration zu diesen Bildern fand. Der Maler und sein Werk lassen also noch Spielraum zur weiteren Erforschung.
Wir sind deswegen sehr glücklich und dankbar, das uns der Speyerer Kunstfreund Rainer Tochtermann im Herbst 2023 mit einer großzügigen, sechs Gemälde von Marfels umfassenden Bilderspende aus seinem Besitz bedacht hat. Die Gemälde stammen aus Familienbesitz, sie wurden vermutlich einst vom Maler selbst oder von seiner Witwe erworben. Bis auf ein kleines undatiertes und unsigniertes Bildchen mit einem kahlen Baum auf einem Höhenzug sind die Bilder allesamt signiert und datiert. Sie stammen aus den Jahren 1945 bis 1951.
Es handelt sich um nachfolgende sechs Bilder:
Bei den beiden herbstlichen Waldlandschaften, datiert 1949 und 1951 (Inv. Nr. 2023.086 und 2023.089), handelt es sich nachweislich des Erscheinungsbilds der Landschaft wahrscheinlich um Motive, die unweit von Neckargemünd auf dem Königstuhl oder einem benachbarten Höhenzug entstanden sind. Sie schließen sich motivisch unserem bereits seit 2018 inventarisierten Bild aus dem Neckartal oder dem im Museum im Alten Rathaus in Neckargemünd befindlichen Bild aus dem Elsenztal an.
Die Bachlandschaft mit Birken, dat. 1945 (Inv. Nr. 2023.087), ist die nur sehr gering variierte Wiederholung eines Motivs des Malers, das wir 2019 im Kunsthandel sahen. Die flache Landschaft und die Birken passen nicht ins Neckar- oder Elsenztal, ebensowenig in die nahe oberrheinische Tiefebene. Das Motiv scheint eher aus Niederdeutschland oder aus Pommern zu stammen. Mit der zweiten Fassung aus dem Kunsthandel bestätigt sich, dass Marfels in seinem Spätwerk Motive wiederholt hat, worauf bereits der Mannheimer Kunsthistoriker Dr. Benno Lehmann bei der Ausstellung in Neckargemünd 2008 hinwies.
Die Heidelandschaft mit Gewitterwolken, dat. 1950 (Inv. Nr. 2023.084), scheint ebenfalls nicht aus der Umgebung von Marfels’ Wirkungsort Neckargemünd zu stammen, sondern erneut niederdeutscher oder pommerscher Natur zu sein. Ein Bild mit ähnlicher Gewitterstimmung über vergleichbarer Vegetation wurde 2011 bei Henry’s in Mutterstadt als vermeintliches Motiv aus der Kurpfalz angeboten. Nachweislich unseres Bildes möchten wir die Motivbeschreibung aus dem Kunsthandel anzweifeln. Stattdessen sehen wir weitere Hinweise auf eine umfangreiche Inspiration des Malers fernab von Neckargemünd.
Das Bild mit der Wassermühle und angelndem Knaben, dat. 1947 (Inv. Nr. 2023.085), scheint rein dekorativen Charakter zu haben und nicht nach der Natur gemalt zu sein. In der Nachkriegszeit nach 1945 gab es insbesondere eine Nachfrage nach unverfänglichen, ideologiefreien Motiven. Nach der Blut- und Boden-Kunst der NS-Zeit, die insbesondere auch bäuerliche Arbeit verklärt hatte, waren muskelbepackte Landleute hinter dem vom Pferd gezogenen Pflug nicht mehr gut gelitten. Motive wie der von Marfels gezeigte angelnde Knabe vor der Wassermühle vermochten seine Landschaftsbilder naturnah zu beleben, ohne irgendeine Nähe zur verpönten NS-Kunst zu haben.
Wir danken Rainer Tochtermann herzlich für die Überlassung der Gemälde, die unseren Bestand an Gemälden von Ernst Marfels nun auf insgesamt sieben Bilder aus der Zeit von 1939 bis 1951 angereichert haben, und mittels denen sich weitere vergleichende Studien mit seinen weiteren bekannten Werken betreiben lassen.