Der vergessene Berner Maler Friedrich Pfisterer

Als wir im Februar 2023 das Porträt eines schnurrbärtigen Mannes, signiert „F. Pfisterer Bern Schweiz 18“ erwarben, waren wir uns angesichts der Qualität des Bildes und der Länge der Signatur durchaus sicher, ein Bild eines namhaften und gut dokumentierten Kunstmalers erworben zu haben. Umso erstaunter waren wir, dass eine erste oberflächliche Recherche in Google und einschlägigen Künstlerdatenbanken keinerlei Ergebnisse zu einem Maler Pfisterer aus Bern zu Tage förderte.

Da wir nicht an der Authentizität der Signatur zweifelten, begannen wir, intensiver nach dem offensichtlich in Vergessenheit geratenen Maler zu forschen.

Der erste Weg führte uns zu den digitalisierten Adressbüchern der Stadt Bern, die online von den frühesten Adressbüchern aus dem 19. Jahrhundert bis zum Jahr 1945 verfügbar sind. Und tatsächlich ließ sich dort ein Kunstmaler Friedrich Pfisterer nachweisen, der ab 1917 bis zum letzten online verfügbaren Adressbuch 1945 an verschiedenen Adressen in Bern wohnhaft war. Da zuvor kein weiterer Träger des Namens im Adressbuch erscheint, ließ sich bereits mutmaßen, dass er vor 1917 von andernorts zugewandert war. Außerdem taucht erstmals im Adressbuch von 1920 ein grafisches Unternehmen unter seinem Namen auf, das zunächst noch eine eigene Adresse hatte. Ab 1932 erscheinen Maler und Unternehmen an einer gemeinsamen Adresse, im Lauf der Zeit werden weitere Männer des Namens Pfisterer in grafischen Berufen an dieser Adresse genannt. Es lag also auch die Vermutung nahe, dass Friedrich Pfisterer überhaupt nicht lange als Kunstmaler tätig war, sondern sich vermutlich bald mit grafischen Aufgaben befasst und dann mit einem größer werdenden Familienunternehmen sein Auskommen fand.

Um weiteres zum Leben des Malers und Unternehmers herauszufinden, wandten wir uns mit der Bitte um Auskünfte zu den Lebensdaten des Malers an das Archiv der Stadt Bern. Dort wollte man auch ohne die Garantie auf verfügbare Informationen vorab bereit 40 Schweizerfranken an Gebühren aus uns herausleiern. Da wir uns jedoch selbst als Forschende sehen und ständig gerne kostenlose Auskünfte zu unseren Forschungsgebieten geben, lehnen wir derlei Gebührenforderungen von forschenden Einrichtungen der öffentlichen Hand stets ab, müssen deswegen aber auch auf deren Auskünfte verzichten.

Unsere weiteren eigenen Forschungen führten uns daraufhin zu digitalisierten Schweizer Tageszeitungen, die dankenswerter Weise in der Zeit von 1800 bis 2000 verfügbar sind. Und tatsächlich wurden wir zu Friedrich Pfisterer umfassend fündig. In den Zeitungen aus Bern, vor allem im Blatt „Der Bund“ lässt sich fast sein gesamtes Leben rekonstruieren. Er taucht erstmals 1915 in einer Pressenotiz auf, als er als zugewanderter Stuttgarter Chemigraph das Bürgerrecht in Bern erhielt. Damit war bereits unsere erste Mutmaßung bestätigt, dass er kurz vor 1917 nach Bern zugewandert ist.

In den Zeitungen finden sich dann ab den 1930er Jahren immer wieder Annoncen und Berichte von seiner grafischen Anstalt, die von einem Kellerbetrieb zu einer beachtlichen Größe wuchs. Ab den 1940er Jahren wird dann über Betriebsjubiläen und runde Geburtstage des Firmengründers berichtet. Bei seinem Tod 1956 finden sich in den Zeitungen neben Traueranzeigen und Danksagungen auch Nachrufe und sogar ein Foto des Malers.

Aus den Nachrufen gehen die meisten weiteren Lebensdaten (Geburtsdatum, Herkunft, Studiengang, beruflicher Werdegang usw.) hervor. Auch unsere zweite Vermutung, dass der Kunstmaler gar nicht lange als solcher tätig war, sondern sein Können als Geschäftsführer seines grafischen Betriebes zeigte, wird in den Presseberichten vielfach bestätigt.

Neben der technischen Entwicklung von Produktionsverfahren im grafischen Gewerbe scheint sich Friedrich Pfisterer beruflich vor allem noch als Illustrator betätigt zu haben. Genannt wird die Illustration eines umfangreichen Werkes zur Fleckviehzucht, aber auch die grafische Umsetzung der zahllosen Bürgerwappen im 1937 erschienenen Solothurner Wappenbuch. Als künstlerische Arbeiten werden ansonsten noch Porträtgemälde genannt, so dass unser Bild auch ein vollkommen charakteristisches Gemälde von seiner Hand sein dürfte.

Inv. Nr. 2023.006: Bildnis eines schnurrbärtigen Mannes (wohl Wilhelm Pfisterer, der Vater des Malers)

Gemäß einer rückseitig eingesteckten Erinnerungskarte dürfte unser Bild ein Porträt des Vaters Wilhelm Pflisterer (1855-1935) sein. Unser Bild, das damit als eines der Hauptwerke des Malers gelten dürfte, bestätigt damit auch die Mutmaßung, dass der Maler kaum mehr für den Kunstmarkt, sondern vor allem für private Zwecke gemalt hat.

Wir freuen uns, durch unsere Forschungen wieder einmal einen in Vergessenheit geratenen akademischen Maler vorstellen zu können, der in mehrfacher Hinsicht eine für seine Zeit typische Künstlerlaufbahn hat. Nach Ausbildung in einem grafischen Betrieb, in dem sein Talent erkannt wird, besuchte er noch auf Veranlassung des Ausbildungsbetriebs die staatliche Kunstschule in Stuttgart, setzte sein Studium auf eigene Veranlassung fort, ging auf Wanderschaft, aber blieb dann auch in der Fremde in seinem Brotberuf. Im Geiste war Friedrich Pfisterer vermutlich immer Künstler geblieben, weswegen er an seiner Privatadresse in den Berner Adressbüchern stets als „Kunstmaler“ erscheint. Sein Nachruf spricht aber eine andere Sprache, nämlich dass neben der ganzen Arbeit im eigenen Betrieb praktisch keine Zeit mehr für die Malerei blieb.

Lesen Sie auch:

Friedrich Pfisterer (1887-1956), Biografie

Gemälde „Bildnis eines schnurrbärtigen Mannes“ (Friedrich Pfisterer 1918)