Die Malerin Else Schwarz-Binder (1914-2000) aus Talheim bei Heilbronn gehört sicher mit zu den herausragenden Figuren des Unterländer Kunstbetriebs in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Ihre Faszination für die Raumfahrt und sonstige technische Großtaten spricht aus vielen ihrer Bilder. Als Künstlerin auf ein Einkommen angewiesen, war ihre Leidenschaft für die sich fast bis vor ihre Haustüre erstreckende Großbaustelle des im Entstehen begriffenen Kernkraftwerks Neckarwestheim, die sie zahlreiche Bilder festhielt, nicht ganz uneigennützig, denn die lukrative und staatlich vorgeschriebene „Kunst am Bau“, bei der ein gewisser Anteil der Bausumme öffentlicher Gebäude in deren künstlerische Ausgestaltung zu fließen hatte, waren eine Bühne, die Else Schwarz-Binder gerne bespielte. So erwarb denn das Kraftwerk später auch einige ihrer Bilder und würdigte sie 1991 mit einer großen Werkschau. Aber auch für zahlreiche andere Bauvorhaben in der Gegend um Heilbronn schuf sie neue Bilder oder fand sie Käufer für bereits bestehende Werke.
Als Gegenwartskünstlerin war Else Schwarz-Binder gut im Geschäft mit der „Kunst am Bau“, wobei sich ihre futuristischen Motive nicht nur für Bauten der Technologiebranche, sondern ebenso für Stätten der Bildung und Forschung anboten. Mit ihrem eigenwilligen Stil war sie in der Region um Heilbronn, die während der Hauptschaffensphase von Else Schwarz-Binder zwischen den 1950er und 1980er Jahren kulturell eher noch äußerst provinziell aufgestellt war, möglicherweise sogar konkurrenzlos. Zu Abnehmern ihrer Kunst zählten neben dem Kraftwerk in Neckarwestheim und der Stadt Heilbronn auch die Volksschule im Heilbronner Stadtteil Neckargartach, wo ihr Mann Otto Schwarz (1904-1975) Schulleiter war.
Auch unsere Tafeln, die wir im Oktober 2020 erwarben, lassen sich im weitesten Sinne als „Kunst am Bau“ begreifen. Nachweislich einiger Aufkleber auf den Gemälderückseiten waren zwei der Bilder im Württembergischen Kunstverein und das dritte in Eislingen ausgestellt. Sie entstanden also eher nicht als Auftragsarbeit. Gleichwohl haben sich diese Bilder (und zwei weitere Motive) für längere Zeit im Geschäftsgebäude einer Technologiefirma in Neckarsulm befunden, bevor sie im Zuge der Umgestaltung der Räumlichkeiten dort ausrangiert wurden.
Wir freuen uns, mit diesen großformatigen Werken einige authentische und seltene Beispiele für Space-Age-Design aus der Gegend um Heilbronn erworben zu haben – insbesondere auch deswegen, weil die Künstlerin es verstanden hat, ihre Kunst „am Bau“, d.h. in der Öffentlichkeit zu platzieren und damit tatsächlich auch Menschen im Alltag zu erreichen und zu inspirieren. Wer weiß, wen unsere neu erworbenen Bilder einst zu welchen Gedanken inspiriert haben?
Inv. Nr. 2020.068: „Auf der Suche“
Inv. Nr. 2020.067: „Ziel unbekannt“
Inv. Nr. 2020.066: „Technische Landschaft“