
Im Sommer 2025 konnten wir ein gefälliges herbstliches Landschaftsbild mit der Signatur „G. Haid“ und der Datierung 1919 erwerben. Das Bild zeigt einen Bachlauf, dessen Bett sich durch ein hügeliges, von herbstlichen Bäumen bewachsenes Tal schlängelt. Das kleine Format des Bildes und seine sorgfältig abgestimmte Farbigkeit sprachen uns sehr an und verrieten gleichzeitig auch einen geübten Maler, der in Motivwahl und Ausführung weit über die Malerei von Laien hinausragt.

Bei unserer anfänglichen Recherche ließ sich zunächst nur nachweisen, dass der Maler wohl ein Georg Haid aus Nonnenhorn am Bodensee war, der von 1861 bis 1935 lebte. Im Kunsthandel ließen sich zwar noch einige wenige ebenso impressionistisch anmutende Landschaftsbilder des Malers nachweisen, jedoch schienen nirgendwo online zugänglich Details zur Biografie und zum künstlerischen Werdegang des Malers abrufbar zu sein, so dass wir uns an vertiefende Recherchen machten.
Wertvolle Hinweise verdanken wir Ferdinand Baur vom Museum Nonnenhorn, wo der Künstler aufgrund des regionalen Bezuges noch bekannt war und wo man sich um die Bewahrung seines künstlerischen Andenkens müht. Nach Sichtung der vorhandenen Unterlagen ist es uns nun möglich, ein Lebensbild des Malers zu entwerfen.

Georg Haid wurde 1861 in Germersheim in der damals zu Bayern zählenden Pfalz geboren. Der junge Mann schlug eine Militärkarriere ein und wurde Offizier bei der bayerischen Reiterei, wo er als strenger Schleifer galt und nicht sonderlich beliebt war. 1897 heiratete er in Stuttgart Laura Mathilde Carolina Gellenkamp (1856-1940), eine Rheinländerin mit niederländischen Wurzeln.
Wie aus dem bayerischen Kavallerie-Offizier der Bodensee-Maler Haid wurde, lässt sich nur noch vermuten. Eine akademische Kunstausbildung hatte er nämlich nicht. Gleichwohl wurde beim Militär das Zeichnen nach der Natur gelehrt, vor allem das Anfertigen von Geländeskizzen. Der ebenfalls in unserer Sammlung vertretene schwäbische Maler Robert Haag (1886-1958) hat im Ersten Weltkrieg sogar ein Fachbüchlein über das Geländezeichnen in der Natur nach militärischen Gesichtspunkten verfasst. Wir können also vermuten, dass Haid eine künstlerische Begabung hatte und sein Blick für die Landschaft während seiner Militärzeit geschärft wurde. Aus seinen Landschaftsbildern spricht trotz seiner Vorliebe für grobe Pinselzüge ein feines Verständnis für Perspektive und landschaftliche Gegebenheiten.

Warum es ihn ausgerechnet an den Bodensee gezogen hat, können wir nicht mehr sagen. Sein Wirkungsort Nonnenhorn ist jedenfalls der westlichste Zipfel Bayerns am Bodensee. Die Quellen sind sich nicht mehr sicher, ob er dort mit Geld von seiner späteren Ehefrau oder aber mit Geld aus einem Lotteriegewinn zahlreiche Grundstücke erwerben konnte. Der Seetourismus hatte in den 1890er Jahren noch nicht überall am Bodensee eingesetzt und viele Uferparzellen wurden noch landwirtschaftlich genutzt. Die am See gelegenen Äcker waren den Landwirten oft lästig, denn sie waren meist abschüssig und nicht immer einfach zu bewirtschaften, außerdem von Überschwemmungen bedroht. So wundert es nicht, dass Haid in Nonnenhorn insgesamt 38 benachbarte Parzellen erwerben konnte, die er zu einem Flurstück vereinte, auf dem er sich 1895 eine Villa mit einem von einer Glaskuppel überspannten Maler-Atelier im Obergeschoss nebst Stall- und Gärtnergebäude errichten ließ. Haids Grundstück mit einer Uferlänge von 360 Metern war so groß, dass er es bald parzellierte und darauf noch zwei weitere Villen für andere Eigentümer errichtet wurden.
Der Maler lebte künftig relativ zurückgezogen auf seinem Grundstück und pflegte nur mit seinen beiden unmittelbaren Nachbarn engere Kontakte, während er sich den restlichen Einwohnern Nonnenhorns distanziert gab. Er wird generell als „herrisch“ und wenig gesellig beschrieben und hatte weder ein gutes Verhältnis zu den Künstlerkollegen der Künstlergruppe „Der Kreis“, in der er sich mit Maler rund um den Bodensee zusammengeschlossen hatte, noch zu den Mitgliedern des Lindauer Seglerclubs, dem er ebenfalls angehörte. Es wirkt fast so, als ob er im Privaten nur mit dem anderen Geschlecht gut ausgekommen wäre. Im Alter hielt er sich häufig im Haus der Schwestern Ude in Hengnau auf, die möglicherweise Modell für seine Frauenporträts saßen.

Der Reserveoffizier Haid war bei Ausbruch des Ersten Weltkriegs bereits 53 Jahre alt. Er wurde nicht mehr zum Kriegsdienst eingezogen, ließ sich jedoch über eine Kette von Informanten von Lindau aus über den aktuellen Kriegsverlauf informieren. Als Militärperson, Patriot und Künstler war es ihm vermutlich eine besondere Ehre, 1916 mit der Gestaltung des „Kriegs-Wahrzeichens“ der Stadt Lindau beauftragt zu werden. Die zwei Meter hohe Holztafel zeigt in der Mitte ein unter Segeln fahrenden Frachtschiff zwischen Blätterfriesen, eisernen Kreuzen und den Jahreszahlen 1914 und 1916, außerdem die Inschriften „Gott mit uns“ und „Zur Erinnerung an die grosse Zeit“. Die Tafel wurde auf dem Bismarckplatz in Lindau aufgestellt und gegen eine Spende konnte die Bevölkerung Nägel in die Tafel einschlagen. Der Erlös war für die 1916 gegründete Nationalstiftung bestimmt, die sich primär um Kriegswitwen und -waisen kümmerte. Den ersten Nagel schlug am 12. März 1916 Prinzessin Therese von Bayern ein, die seit Ausbruch des Krieges in Lindau lebte. Am 4. Juli 1916 kam der Lindauer Ehrenbürger und Luftschiffpionier Graf Zeppelin in die Stadt, um gegen eine Spende von 500 Mark einen goldenen Nagel in das Wahrzeichen einzuschlagen.

Der weitere Verlauf des Ersten Weltkrieges machte aus der vermeintlich „großen Zeit“ eine Notzeit, die wahrscheinlich auch das Ende von Haids Militärkarriere bedeutete, so dass er nach dem Ersten Weltkrieg nur noch als Privatier gelebt haben dürfte. Zwar hatte er die Malerei nie als Broterwerb verstanden, sondern immer nur aus innerem Antrieb heraus das gemalt, was er darstellen wollte. Ein Einkommen aus Auftragsarbeiten und Porträts dürfte dem Maler sicher willkommen gewesen sein.
Als in Folge des Ersten Weltkriegs die Edelmetallmünzen knapp wurden, wurden in vielen Gemeinden Notgeldscheine verausgabt, die das Münzgeld ersetzten. Georg Haid gestaltete für die Stadt Lindau die drei Scheine mit Werten von 10, 25 und 50 Pfennig. Die Rückseiten zeigen dekorative Lindauer Motive, während auf der Vorderseite nochmals das bereits beim „Kriegs-Wahrzeichen“ verwendete Segelschiff zu sehen war.

Haids Gesamtwerk wird insbesondere von seinen impressionistisch anmutenden Landschaftsbildern geprägt. Mit grobem Pinselzug, nahezu schon abstrahierend, gelingt ihm die Darstellung der Eigenheiten von Landschaft und Wetter. In seinen Zeichnungen, wie denen auf den Notgeldscheinen der Stadt Lindau, aber auch in einem bereits 1902 gefertigten Schmuckblatt für das Regierungsjubiläum von Großherzog Friedrich von Baden sowie diversen Postkartenmotiven zeigt Haid, dass er nicht nur die grobe Malerei, sondern auch die feinere Kunst der Illustration mit spitzer Feder beherrscht.
Georg Haid ist ein vergessener Vertreter des schwäbischen Impressionismus, der mangels nachweisbarer akademischer Lehrmeister und kommerzielle Zwänge vermutlich völlig aus sich selbst heraus zu seinem eigenen Stil gefunden hat, der den Vergleich mit den bedeutenden Impressionisten seiner Zeit nicht zu scheuen braucht.


Der Maler starb am 6. Dezember 1935 in seiner Villa in Nonnenhorn an den Folgen eines Schlaganfalls. Drei Tage nach seinem Tod wurde sein Leichnam in Lindau-Aeschach eingeäschert. Da die Unterlagen des Krematoriums als Ort der Beisetzung nur einen nicht näher bezeichneten Marienfriedhof nennen und es einen solchen in Lindau und Umgebung nicht gibt, ist seine letzte Ruhestätte heute unbekannt.
Mit unserem Landschaftsbild des herbstlichen Bachlaufes, das der Maler 1919 gemalt hat, besitzen wir ein charakteristisches Bild von seiner Hand. Seine Entstehung fällt in die Zeit unmittelbar nach dem Ersten Weltkrieg, als der Maler sein Schaffen möglicherweise aus wirtschaftlicher Not, möglicherweise aber auch nur aus dem Gewinn an freier Zeit nach dem Ende seiner Militärlaufbahn intensiviert hat. Das Bild ist in groben Zügen mit reduzierter, erdig-gedeckter Farbpalette gemalt und stimmt darin mit vielen weiteren Landschaftsbildern des Malers überein. Motivisch ähnelt das Bild einer Winterlandschaft des Malers von 1924 im Besitz des Museums Nonnenhorn.
Wir danken Ferdinand Baur vom Museum Nonnenhorn für tatkräftige Unterstützung bei unseren Recherchen und wir hoffen, mit der Publikation unseres Gemäldes und der Informationen zum Maler und dessen Gesamtwerk zur Wiederentdeckung von Georg Haid als bedeutendem schwäbischem Impressionisten beizutragen.