Boris Siemienkewitsch (1922-2013) war Hobbymaler aus Sinsheim. Er malte Heimatmotive, Landschaftsbilder, Blumenbilder und religiöse Darstellungen. Er schuf eigene Motive, kopierte aber auch mehrere bekannte Bilder. Wir haben 2022 und 2023 einen Großteil seines künstlerischen Nachlasses erworben.
Biografie
Boris Georg Siemienkewitsch war weißrussischer Abstammung und wurde am 2. April 1922 geboren. Sein Geburtsort, den er mit Holowientschyzy transkribierte,1 lag im Kreis Stoubzy westlich von Minsk. Die westliche Hälfte Weissrusslands war im Polnisch-Sowjetischen Krieg 1919-1921 an Polen gefallen, so dass er die polnische Staatsangehörigkeit hatte. Sein Name wurde ursprünglich in kyrillisch geschrieben. In Polen ist die Schreibweise “Siemienkiewicz” geläufig. Er selbst transkribierte seinen Namen bei seiner Befragung als “Displaced Person” in München 1946 mit “Siemienkiewitsch” und unterschrieb mit “Siemienkiević”, in den späteren offiziellen Papieren trug er allerdings den ansonsten nicht in dieser Schreibweise vorkommenden Familiennamen “Siemienkewitsch”. Seinen sperrigen Nachnamen kürzte der Maler beim Signieren seiner Bilder meist ab. Bekannte Signaturen sind „B. Siem“, „B. Siemen“ und „B. Siemien“.
Über seine frühen Tätigkeiten in seiner Heimat machte er in den erhaltenen Unterlagen aus der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg unterschiedliche Angaben. Bei der Befragung als Displaced Person im September 1946 gab er an, er hätte von 1939 bis 1941 an der pädagogischen Hochschule in Baranowitschi studiert und sei von 1942 bis Ende Februar 1943 Lehrer in Sawonie im Westen des Rajon Stoubzy gewesen. Bei einer späteren Gelegenheit gab er 1949 jedoch an, von 1939 bis 1941 nur die russische Mittelschule in Stoubzy besucht zu haben und von 1942 bis 1943 Schauspieler am Nationaltheater in Baranowitschi gewesen zu sein. Er äußerte allerdings auch, dass Schulen und Theater von den Deutschen geschlossen worden wären, so dass er zuletzt weder als Lehrer noch als Schauspieler gearbeitet haben kann.
Im Zweiten Weltkrieg wurde er jedenfalls unter dem Verdacht, mit Partisanen in Verbindung zu stehen, verhaftet und im Oktober 1943 mit einem Sammeltransport nach Deutschland verschleppt. Dort war er zunächst bei der Ausbesserung von Motoren bei Junkers in Crimmitschau tätig, ab 1944 bei den Mitteldeutschen Motorenwerken in Taucha bei Leipzig und später in Obertannwald im Sudetenland.
Nach Kriegsende war er einige Monate in Aulendorf bei Ravensburg und kam dann im November 1945 nach München, wo er bald an der Universität eingeschrieben war, ab 1947 auch am Händel-Konservatorium. Er war in München anfangs im DP-Durchgangslager des Deutschen Museums einquartiert und wohnte später in der Sedanstraße Nr. 8/III. Außerdem arbeitete er in München auch bei den städtischen Verkehrsbetrieben.3
Nachweislich seiner ältesten datierten Werke von 1945 scheint sich Siemienkewitsch schon jeher künstlerisch betätigt zu haben. Seine betont unspektakulär gewählte Ansicht der Münchner Maximiliansbrücke lässt darauf schließen, dass er sich zuvor bereits intensiv mit künstlerischen Darstellungen befasst hat und nicht erst 1945 zur Malerei kam.
Aufgrund der politischen Veränderungen in Weissrussland, das nach dem zweiten Weltkrieg komplett zur Sowjetunion gehörte, wurde Siemienkewitsch staatenlos und gab bei den Befragungen im September 1946 und im Oktober 1949 an, aus politischen Gründen nicht mehr in seine Heimat zurückkehren zu wollen. Stattdessen erwog er 1949 die Auswanderung in die USA oder nach Südamerika.
Vielleicht hat sich der junge Mann gerne mit Damen umgeben, die sich ebenfalls in gewissem Maß künstlerisch betätigten. Eine in unserem Besitz befindliche Zeichnung aus dem Nachlass, beschriftet “Helene Bornicke 27.1.1947” und rückseitig mit einer persönlichen Widmung jener Helene versehen, könnte von der Hand des Malers stammen, aber möglicherweise auch ein Selbstbildnis der jungen Frau darstellen. Helene Bornicke könnte auch eine Freundin von Siemienkewitschs späterer Frau Helga gewesen sein.
Die Pläne zur Auswanderung scheint Siemienkewitsch dann verworfen zu haben, denn schließlich landete er in den 1950er Jahren im badischen Sinsheim. Ob er dorthin aus beruflichen Gründen oder der Liebe wegen kam, ist uns nicht bekannt. Er heiratete Helga Elisabeth Buttmi (geb. 18. September 1926 in Gernsbach, gest. am 17. November 2021 in Sinsheim),4 die ebenfalls künstlerisch tätig war. Wir besitzen mehrere Aquarelle von ihr aus den Jahren 1949 bis 1956.
Spätestens ab 1957 lebte Siemienkewitsch in Sinsheim, da er in jenem Jahr das Sinsheimer Rathaus in einem großformatigen Gemälde festhielt. Es entstanden nun insbesondere größere Ölbilder, meist auf Faserplatte, seltener auf Leinwand, die er bei örtlichen Kunsthandlungen rahmen ließ. Er malte hauptsächlich Ansichten aus Sinsheim, Blumenstillleben und religiöse Motive. Bei den Ortsansichten und Blumenbildern erweist er sich als genauer Beobachter, der dichte Kompositionen in einer großen Detailfülle wiederzugeben versteht.
In der zweiten Hälfte der 1960er Jahre kommen in seinem Werk Eindrücke von Ferienreisen hinzu: eine Szene an einem der oberitalienischen Seen (1967), Fischerboote vor Venedig (1968), Montmartre in Paris (1968), Friedenskircherl auf dem Stoderzinken (1972), Hafenszene (1975). Ebenfalls um 1970 kehrte er zeitweilig zur Wasserfarbe zurück und schuf in dieser Technik insbesondere mehrere Ansichten des Stifts Sinsheim, die vielleicht teilweise auch nur Studien für danach ausgeführte Ölgemälde waren.
Im Jahr 1981 scheint er sich intensiv der Tiermalerei gewidmet zu haben und schuf eine Folge von sechs Holztellern mit Tiermotiven sowie ein vielfiguriges Bild einer Jagdgesellschaft mit ihren vielen Hunden. 1982 fertigte Siemienkewitsch einige Kopien nach Tizian: die Venus von Urbino sowie Ecce Homo und Mater Dolorosa. Auch seine 1988 entstandene Madonna (nach Luigi Croso) und einige Porträtbildnisse sind sicherlich Kopien nach Foto- oder Gemäldevorlagen.
Das späteste nachweisbare Werk von Boris Siemienkewitsch verbindet seine religiösen mit seinen Heimatmotiven: die 1988 datierte Prozession durch Sinsheim mit dem vielfigurigen Prozessionszug vor der Kulisse einiger charakteristischer Fachwerkgebäude kann sicher als eines der Hauptwerke des Malers gelten.
Welchen Beruf der Hobbymaler ausübte, konnten wir nicht in Erfahrung bringen. Der Großteil seiner Gemälde blieb bis zu seinem Tod in seinem Besitz und schmückte die Wände des Wohnhauses des Malers und seiner Frau. Der Maler starb am 24. Mai 2013. Sein Nachlass wurde im Frühjahr 2022 einige Monate nach dem Tod seiner Witwe aufgelöst.
Nachweisbare Werke in chronologischer Abfolge
Einzelnachweise
- Im Arolsen Archiv wird der Ortsname als Holowientschyaj transkribiert.
- https://collections.arolsen-archives.org/de/document/79776342
- Angaben zur frühen Biografie siehe digitalisierte Unterlagen bei Arolsen Archives https://collections.arolsen-archives.org/en/archive/3-2-1-1_32110000-308-124
- Lebensdaten nach Auskünften der Nachkommen, Juni 2022.