Marie Sieger geb. Polack

Marie Sieger geb. Polack (1886-1970) aus Schöntal zählt zu den frühen akademischen Kunstmalerinnen in Deutschland. Das Leben der Hölzel-Schülerin war von vielen Umzügen und der Doppelbelastung als Hausfrau und Künstlerin geprägt. Nach der Zerstörung ihres Frankfurter Ateliers kam sie gegen Ende des Zweiten Weltkriegs an ihren Geburtsort Schöntal zurück, wo sie bis zu ihrem Tod künstlerisch tätig war. Ihr Nachlass befindet sich im Hällisch-Fränkischen Museum in Schwäbisch Hall.

 

Biographie

Marie Polack wurde am 27. Oktober 1886 in Schöntal an der Jagst geboren. Sie war die zweite Tochter des Schöntaler Klosterapothekers August Polack und seiner Frau Marie geb. Junginger. Der Vater hatte 1881 die Klosterapotheke erworben, wo die Familie auch innerhalb des Klosterkomplexes in Schöntal lebte. Nach dem frühen Tod des Vaters 1891 beschäftigte die verwitwete Mutter den Apothekenverwalter Karl d’Alleux, den sie 1896 heiratete und mit dem sie weitere zwei Kinder bekam. Marie Pollack besuchte ab 1892 die evangelische Schule in Schöntal, die sie nach der achten Klasse verließ. Die hohe Gesisteskultur innerhalb des Klosterbezirks war ein Glücksfall für ihren weiteren Werdegang, denn nach Ende der Schulzeit konnte sie Privatunterricht, darunter auch Zeichenstunden, bei Lehrern des evangelisch-theologischen Seminars nehmen.

1903 folgte Marie ihrer älteren Schwester Charlotte an das Mezgersche Mädchenpensionat nach Stuttgart, das von der Witwe eines früheren Schöntaler Seminarleiters geführt wurde und wo sie ihre Schulbildung nebst weiterem Kunstunterricht vervollkommnete. Nach Schließung des Stuttgarter Pensionats 1904 kehrte Marie Polack wieder nach Schöntal zurück. Dort hatte sie in jener Zeit Kontakt mit dem Frankfurter Maler Fritz Wucherer (1873-1948), einem Freund der Familie, der ihr frühes künstlerisches Werk nachhaltig beeinflusste.

1908 schrieb sich Marie Polack an der Debschitz-Schule für angewandte Kunst in München ein, einem der damaligen Zentren der Avantgade. Dort beschäftigte sie sich vor allem mit Stickerei-Dekoren. Allerdings wechselte sie bereits nach einem Jahr an die künstlerisch eher konservative Großherzoglich Badische Kunstgewerbeschule in Karlsruhe, wo sie bei August Groh, Karl Gagel und Hermann Goebel studierte. Dort gewann sie einen Preis für ihren Entwurf einer Heizkörperverkleidung und beschäftigte sie sich mit Plakatmalerei. Außerdem konnte sie sich in Karlsruhe auch erneut mit Stickerei-Dekoren befassen. Möglicherweise hatte sie während der Karlsruher Studienzeit den Berufswunsch Kunstlehrerin im Sinn.

Im Wintersemester 1911/12 wechselte sie an die wesentlich modernere Stuttgarter Kunstakademie, wo sie zunächst als Hospitantin, ab dem Wintersemester 1912/13 als Studentin in der so genannten „Damenklasse“ von Adolf Hölzel (1853-1934) war. Zwar folgte sie Hölzel nicht in die Abstraktion, sondern blieb stets gegenständlich, aber sein Einfluss auf die Reduzierung von Form und Struktur ihrer Bilder ist evident.

Bei Hölzel hatte Marie Polack die Aussicht auf ein Meisteratelier, sie kehrte dennoch 1914 nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs nach Schöntal zurück, wo sie in der Apotheke und im elterlichen Haushalt aushalf. 1916/17 ging sie nochmals für ein Semester nach Stuttgart, diesmal in die Malklasse von Prof. Breyer.

1917 eröffnete sie ein Atelier als Kunstmalerin in Heilbronn. Als sie im April 1918 den Chemiker und Apotheker Dr. Hans Sieger heiratete, zog das Paar umgehend nach Rheinfelden, wo Hans Sieger eine Anstellung bei Degussa gefunden hatte. Dort kam 1919 die einzige Tochter des Paares zur Welt. Die Haushaltskasse war in den Jahren der Inflation knapp und Marie Sieger verdiente durch Mal- und Zeichenunterricht sowie Aufträge für Gemälde und Textilmuster hinzu. Als sich die Wirtschaft wieder erholt hatte, besuchte Marie Sieger von 1924 bis 1927 die Kopf- und Abendaktkurse bei Prof. Albrecht Meyer im nahen Basel.

1928 zog die Familie nach Frankfurt am Main, wohin Hans Meyer im Vorjahr versetzt worden war. Die Familie lebte kurze Zeit zur Miete und erwarb dann ein Haus in der Ganghoferstraße. Marie Sieger wurde Mitglied im Verein Frauen-Kultur und im großen Künstler-Verband GEDOK. Während der Weltwirtschaftskrise 1929 wurde der Gatte der Künstlerin arbeitsos, so dass die künstlerische Arbeit von Marie Sieger lebenswichtig wurde. Es folgte eine sehr produktive Phase, die sich neben der Teilnahme an zahlreichen Verkaufsausstellungen vor allem in einer Einzelausstellung in den Räumen der GEDOK 1934 niederschlug.

Von Ende 1934 bis 1936 lebte die Familie wieder in Rheinfelden, wo Hans Sieger erneut eine Anstellung bei Degussa gefunden hatte. 1938 wurde er abermals nach Frankfurt versetzt, wohin die Familie dann zurückkehrte. Allerdings hatten sie ihr Haus in der Ganghoferstraße vermietet, so dass sie sich eine Mietwohnung in der Neuen Mainzer Straße 30 nehmen mussten, wo sich die Künstlerin sogleich wieder ein Atelier einrichtete. Bis zum kriegsbedingten Ende des Ausstellungsbetriebs 1941 nahm sie regelmäßig an Ausstellungen der GEDOK teil. 1944 wurde das Wohnhaus in der Neuen Mainzer Straße bei einem Bombenangriff zerstört. Mit ihrer Tochter zog Marie Polack zurück in ihren Geburtsort Schöntal, während ihr Mann unterdessen nach Konstanz versetzt worden war. 1945 verlor Hans Sieger erneut seine Arbeit und kam ebenfalls nach Schöntal.

In der Nachkriegszeit war Marie Sieger Aushilfs-Zeichenlehrerin am Schöntaler Seminar. 1948 richtete sie ein Atelier im Dachgeschoss der Klosterapotheke ein.

Marie Sieger war bie bis zu ihrem Tod am 28. Juli 1970 weiter künstlerisch tätig.

Ihr künstlerisches Werk umfasst Porträts, Landschaften und Stillleben, außerdem Zeichnungen, textile Entwürfe und einige druckgraphische Arbeiten. Ihre Motive, vor allem die der späten Phase, fand sie vor allem im Kloster Schöntal und im Jagsttal.

Marie Sieger an ihrer Staffelei, ca. 1966:1

Ihre Tochter Ursula Sieger (1919-2013) übergab den Nachlass der Künstlerin 2003 dem Hällisch-Fränkischen Museum in Schwäbisch Hall.

 

Ausstellungen

Das Bildnis der Magd Kathrine von Marie Sieger. Dokumentation eines Gemäldes. Hällisch-Fränkisches Museum, Schwäbisch Hall, 10. Mai – 10. Juni 1990.

Marie Sieger 1886-1970, Beruf: Malerin – Sonderausstellung im Hällisch-Fränkischen Museum, Schwäbisch Hall 2002/03

Marie Sieger und Rita Franck – zwei Malerinnen aus dem Jagsttal, Ausst. im Dieter-Franck-Haus auf der Oberlimpurg, 13. Juli bis 28. September 2014

 

Literatur

– Friederike Aßmus und Bettina Sitter: Das Bildnis der Magd Kathrine von Marie Sieger. Dokumentation eines Gemäldes. Kat Ausst. Schwäbisch Hall 1990.

– Förderkreis Hällisch-Fränkisches Museum e.V. (Hrsg.): Marie Sieger (1886-1970). Beruf: Malerin. Kat. Ausst. Schwäbisch Hall 2002

 

Einzelnachweise und Anmerkungen

  1. Foto: Hällisch-Fränkisches Museum